Süddeutsch-Bairisch ist gleichwertig mit anderen Formen des Deutschen

Gemeinsamer Brief des FBSD, LV Werdenfels und unseres Vereins an

Abgeordnete des Bayerischen Landtags vom 15.11.2015

 

 

Sehr geehrte Frau…

sehr geehrter Herr…

Ein Ziel unserer Vereine ist der Erhalt der gesprochenen, örtlich verschiedenen Dialekte, aber auch der Erhalt der regionaltypischen Schriftsprache. Mit Genugtuung durften wir in den letzten Jahren feststellen, dass die Dialekte im bayerischen Schulunterricht eine enorme Aufwertung erfahren haben. Sie werden nicht mehr als Bildungshemmnis gesehen, sondern als positive Erweiterung der sprachlichen Möglichkeiten. Die Vorzüge des Aufwachsens mit Dialekt und Standardsprache werden erkannt und benannt, mit der Handreichung „Dialekte in Bayern“ von 2006, die in diesem Jahr in überarbeiteter Form erneut erschien, liegt wertvolles Handwerkszeug für die fördernde Beschäftigung mit dem Thema Dialekt im Rahmen des Deutschunterrichts vor.

In der gegenwärtigen Situation wird der kleinräumige Dialekt im Gegensatz zur landschaftsneutralen Schriftsprache gesehen. Die regionale Sprachkultur, also das Bairische, Fränkische und Schwäbische, wird weitgehend ausgeklammert, wobei es die heutige Schriftsprache bis vor kurzem nur in solchen regionalen Varianten gegeben hat. Diese süddeutschen Sprachvarianten sind einander ähnlich und unterscheiden sich aber deutlich von dem nördlich geprägten Deutsch. Sie sind historisch begründet und gleichwertig.

In Unkenntnis der Zusammenhänge wird die norddeutsche Sprachvariante oft mit dem Schriftdeutschen gleichgesetzt und bevorzugt. Als Beispiel zitieren wir Prof. Werner König: „Bei einem Berufungsvefahren für einen germanistischen Lehrstuhl an einer bayerischen Universität fiel zu einer Bewerberin mit bairischem Akzent in der Kommission der Satz: ‚Die Frau kann ja nicht mal richtig Hochdeutsch’ und das im Prinzip nur deswegen, weil sie den a-Laut etwas dunkler aussprach als die anderen Kandidaten.“ (https://www.peutingercollegium.de/uploads/Vortrag_10._Juli_2013.pdf).

Es kann nicht sein, dass unsere Gesellschaft immer sensibler auf mögliche Diskriminierungen von Menschengruppen reagiert und gleichzeitig eine Frau, die sich in ihrer eigenen Heimat um eine Position bewirbt, deshalb abgewertet wird, weil sie die uralte, unendlich wertvolle und schöne Kultursprache ihres Landes spricht. Ähnliches dürfte aber in bildungsferneren Zusammenhängen als es universitäre Berufungsgremien sind - oder besser: sein sollten! – häufiger vorkommen.

Folgend Gründe sprechen dafür, nicht nur das Thema Dialekt, sondern auch die regionalen Sprachvarianten in der Schule zu behandeln.

1. Die regionale Differenziertheit des Schriftdeutschen und der daraus erwachsende gedankliche und ästhetische Reichtum ist über den kleinen Kreis von Interessierten hinaus kaum bekannt. Mit der Behandlung dieses Themas in den Schulen könnte dies überwunden werden.

2. Die gesprochenen Dialekte sind in die Regionalsprachen eingebunden. Ihr Bestand ist eng mit dem Wissen um die regionale sprachliche Entwicklung verknüpft. Daraus ergibt sich Verständnis und Anerkennung, sowohl bei den Sprechern, als auch bei Anderssprachigen.

3. Für eine Aufwertung des Süddeutschen mit seinen Varianten müssen die Regeln, Wörter, Ausdrucksweisen den Sprechern vermittelt werden und müssen dazu erst einmal schriftlich fixiert werden.

4. Die Behandlung dieses Themas in den Schulen fördert das sprachliche Selbstbewußtsein, und das ist eine wesentliche Voraussetzung, die sprachliche Vielfalt zu stärken und das sich in der Defensive befindliche südliche Deutsch zu revitalisieren.

Als Mittel zur Förderung des Bewusstseins von der Existenz und der Gleichwertigkeit des fränkischen, schwäbischen und bairischen Deutsch mit anderen Regionalformen des Schriftdeutschen regen wir eine kultusministerielle Handreichung für den Deutschunterricht an, die sich grundsätzlich an der Konzeption der Broschüre „Österreichisches Deutsch“ des Österreichischen Bildungsministeriums orientiert (vgl.https://www.bmbf.gv.at/schulen/unterricht/oed.pdf?4xdpg6).........

Unser Anliegen wird konkret unterstützt von Prof. König (Augsburg) und Prof. Scheuringer (Regensburg). Weiter hat sich der Bayerische Trachtenverband unserer Forderung angeschlossen.

Wir bitten Sie, diese innerhalb Ihrer Fraktion und im Bayerischen Landtag zu vertreten. Vielleicht könnten Einzelheiten und offene Fragen in einem gemeinsamen Gespräch, evtl. mit Angehörigen des Kultusministeriums besprochen werden.

Mit freundlichen Grüßen

Rudi Mörtl, Bairische Sprache und Mundarten Chiemgau-Inn e.V. Niklas Hilber, Förderverein Bairische Sprache und Dialekte, Landschaftsverband Werdenfels