„Die gute Nachspeis ist schon gar“ oder

„Der leckere Nachtisch ist alle“?

 

Wohl nicht mehr zu bremsen ist der Siegeszug von Hallo als Begrüßungs- und Tschüß, Tschüss als Verabschiedungsformel; sie haben sich über ganz Deutschland verbreitet. Die Aktion von Hans Triebel, dem Wirt der „Gotzinger Trommel“, der im Fasching 2006 die Ortschaft Gotzing (Gemeinde Weyarn, Landkreis Miesbach) mit Beschilderungen zur „Tschüß-freien Zone“ erklärt hat, erregte zwar Aufsehen, doch insgesamt blieb es leider eine Marginalie.

 

Dr. Ludwig ZehetnerAls Signalwort in der Werbung für Nahrungs- und Genussmittel scheint lecker unersetzlich. Verschwunden sind Qualifikationen wie „köstlich, fein, delikat, erlesen, wohlschmeckend, ausgezeichnet, hervorragend“. Suppen, Fertiggerichte und Desserts sind in der Fernsehwerbung „einfach sooo lecker“. Den Buben, der zu Werbezwecken in eine neuartige Milchschnitte beißt, lässt man sagen: „Hauptsache: lecker“. Und die Schöne, die sich einen Löffel Fruchtjoghurt oder eine andere Süßspeise in den Mund schiebt, stöhnt genüsslich: „Mmh, lecker!“ Ein altbayerisches Gasthaus setzt in die Speisen- und Getränke-Karte, dass hier die „leckeren Biere der Brauerei X“ zum Ausschank kommen. „Leckeres Bier“ – wahrhaftig ein Graus! In einem Radiointerview nannte neulich der bekannte Schauspieler Ottfried Fischer lecker als das Wort, das er besonders hasst. „Wenn ein Gericht als ‘supa lecka’ (der s-Laut stimmhaft, das u lang) angepriesen wird“, sagte er, „na woaß i: ‘Des konnst ned fressn’.“ Und er steigerte sich zu der Behauptung, dass „lecka“ hierzulande nur in einem einzigen Zusammenhang seinen legitimen Platz hat, nämlich in „am Orsch lecka.“ Im Götz-Zitat nämlich gebraucht auch der Altbayer das Wort lecken, während es ansonsten schlecken heißt. Eine ‘Leckerei’ ist a Gschleg (Geschleck).

Als im Bairischen störende „Unwörter“ sind auch pusten und Puste zu nennen, artikuliert mit behauchtem hartem „ph“ und langem „u“. (Der Familienname „Pustet“, bekannt durch Druckerei und Verlag in Regensburg und Buchhandlungen in vielen bayerischen Städten, gerät in den Sog der Vokaldehnung. Die Familie aber legt Wert darauf, dass ihr Name mit kurzem u gesprochen wird.) Pusten schiebt sich zusehends an die Stelle von „blasen“, und Puste verdrängt „Atem, Luft, Schnaufer(er)“. „Aus der Puste kommen“? Nein, „die Luft, der Schnaufer(er) geht einem aus, man derschnauft’s nimmer“. Pustekuchen als ablehnende Floskel? Nein, es heißt: „Daraus wird nichts. Schlag dir das aus dem Kopf. Gerade das Gegenteil trifft zu“. Man kann auch Pfiifkàs sagen oder Ja, Schnecken! Weil man dessen Samenkugeln so lustig weg-„pusten“ kann, bezeichnen die Kinder den ‘Löwenzahn’ als Pusteblume – neuerdings auch bei uns in Altbayern. Dabei gibt es so viele volkstümliche Namen dafür, die oft Bezug nehmen auf den milchigen Saft, der aus allen Teilen der Pflanze quillt. Mit dem Erstglied „Milch“ (mundartlich „Mui(ch), Mäi(ch), Müüch, Milli“ usw.) gebildet sind: „Milchdistel, Milchscheck, -schock, -scheckl, -schàckl, -blecka“. In bestimmten Gebieten kennt man Lautformen von „Kuhblume, Saublume (Kuahbloama, Saubleami)“. Auf die in der Volksmedizin bekannte harntreibende Wirkung verweisen schwäbisch „Bettsoichr, Soichbloama“ und fränkisch „Brunsbluma“.

Ebenfalls aus dem nördlichen Deutsch kommt das Wort alle anstelle von ‘zu Ende, aus, gar’. Das Kind hofft, in der Bonbondose noch fündig zu werden, doch die Mutter muss enttäuschen: „Alle alle!“ Sie könnte auch sagen: „Nix mehr drin, die Dose ist leer (lààr)“ oder „Aus is’s und gor is’s“. Unterwerfen wir das Wort „alle“ der l-Probe, so zeigt sich: Es müsste im Mittelbairischen zu „oi“ geworden sein – wie ‘alle Augenblick, alle Daum(en)lang, allesamt’ zu „oi Aungblick, oi Dàmlang, oisam“.

„Bist du bekloppt?“ hört man, oder: „Ich bin doch nicht bescheuert“. Obwohl die Ausdrücke quasi Fremdwörter sind, tauchen bekloppt und bescheuert neuerdings auch in der Rede so mancher Einheimischer auf. Eine Transponierung in unser Lautsystem würde bei Letzterem „bscheiad“ ergeben. Bekloppt sperrt sich komplett. Allein schon die fehlende hochdeutsche Lautverschiebung „pp > pf“ offenbart die Herkunft aus dem Niederdeutschen, wo es „kloppen, Kopp“ heißt, nicht „klopfen, Kopf“. Wie auch bei „behämmert“ und „angeschlagen“ steht die Vorstellung dahinter, ein Mensch sei deswegen benommen, blöd, schwachsinnig oder krank, weil ihm auf den Kopf geschlagen, geklopft (gekloppt), gehämmert wurde. Wenn man bedenkt, dass „scheuern“ zwar nicht bei uns, sehr wohl aber in anderen deutschen Regionen ein Ausdruck für ‘verprügeln’ ist, dann gehört auch bescheuert hierher. Das Bairische kennt „scheuern“ weder für ‘verhauen’ noch für ‘reinigen’ oder ‘wetzen, reiben’. Wir sagen nicht „Er hat ihm eine gescheuert“, sondern „eahm oane gschmiert, gwischt, nei-, eini-, runter-, owa-ghaut“ usw. Was anderswo „Scheuertuch, -lappen“ genannt wird, heißt bei uns „Putzlumpen“ oder „Putzhadern (Buzhodan)“. Töpfe und Pfannen werden nicht „gescheuert“; man putzt sie blank durch „Riebeln“; der Zimmerboden wird „geputzt, gewischt (butzt, naus-, aussi-, zsamm-gwischt)“. Als es noch Messer gab, die nicht rostfrei waren, hat man sie nicht etwa „gescheuert“, sondern mit Sand „gefegt“. Reibt man sich die Füße in neuen Schuhen wund, so kennt der Dialekt die Wörter „(auf-) fickeln, (auf-) fretten“.  

Die genannten Ausdrücke sollen hier nicht als „falsch“ angeprangert werden. Worum es geht, ist einzig: Es handelt sich um Fremdlinge, die nicht in unsere Sprachlandschaft passen. Und wer da meint, es handle sich um „besseres Deutsch“, das nachzuahmen sich lohnt, dem sei gesagt: Es sind Versatzstücke aus einem „anderen Deutsch“, die im Rahmen eines dezidiert „bairischen Deutsch“ zu vermeiden sind.

Dr. Ludwig Zehetner