Es war ja schier zum Erbarmen, als die CSU-Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär im Bayerischen Fernsehen erzählte, sie bekomme nach jeder Talkshow „ganz schlimme Zuschriften, weil mein Fränkisch so furchtbar wär". Die rhetorisch begabte Politikerin steckt solche Anwürfe freilich locker weg. „Ich werd immer fränkisch sprechen", belferte sie in Richtung der selbsternannten Sprachkommissare, die derlei Sprachfärbungen für das größte Übel dieser Welt halten.

Wer wie Frau Bär nicht glasklar nach der Norm spricht, den diskriminieren sie, dass es nur so kracht. Gerne geifern auch jene, die sonst an jeder Ecke Diskriminierung wittern. Im akademischen Betrieb provoziert bereits eine minimale Sprachfärbung das Scheitern. Beim Berufungsverfahren für einen germanistischen Lehrstuhl in Bayern fiel der Satz: "Die Frau kann ja nicht mal richtig Hochdeutsch!" - und das nur, weil sie den a-Laut dunkler aussprach als die übrigen Aspiranten. Das Schloss Herrenchiemsee suchte vor Kurzem per Stellenausschreibung einen Schlossführer. Als Bedingung für die Einstellung wurde ein „möglichst dialektfreier Ausdruck in deutscher Sprache" verlangt. Dass die Schlossbehörde dem ehemaligen Minister Söder unterstellt war, der beim Sprechen hörbar fränkelt und mit Vorliebe Heimat- und Dialektpreise verleiht- wurstegal. Wenn die aus der Oberpfalz stammende SPD-Bundestagsabgeordnete Marianne Schieder im Berliner Reichstag ans Rednerpult tritt, lösen die Vokalverschiebungen in ihren Reden bisweilen Heiterkeit aus. Die Fernsehanstalten teilen dann bemüht witzelnd mit, die Debatte im Bundestag sei „leider nicht durchgehend in deutscher Sprache geführt worden". Wie tröstlich, dass die TV-Sender mit ihren nuschelnden Kommissaren und Silben verschluckenden Sprecherinnen den Maßstab für gutes Deutsch setzen. Dabei ist auch das reinste Hochdeutsch nur ein Dialekt, in Süddeutschland erfunden, von Luther popularisiert und dann in Norddeutschland über das Theater und den Duden zur Norm erhoben. Sprachwissenschaftler wundern sich mit Recht, warum die Bayern den Anspruch hegen, die besten Wirtschaftsdaten, die besten Schulen und die besten Universitäten zu besitzen, aber Deutsch können angeblich nur die anderen.

Hans Kratzer, SZ 22.2.2018