Wer denkt schon beim Kochen dran, was das für eine alte, ehrwürdige Tätigkeit ist: Wieviele Generationen der Menschheit durch die Jahrtausende an den unterschiedlichsten Herdtypen gestanden sind. Eine der ältesten Gottheiten der Römer ist Vesta, die Göttin des Herdfeuers. das nie hat ausgehen dürfen, denn das Herdfeuer, das haben auch schon die Römer gewusst, ist der Mittelpunkt der Familie. und die wiederum die Keimzelle aller Kultur.

Gerald HuberDie Kuchl, das bairische Wort für „Küche“ ist ein sog. bairisches Kennwort – bairisches Deutsch und durchaus kein Dialekt. Die „Rauchkuchl“, die „Wurschtkuchl“, - all das ist heute noch Schriftdeutsch. Und es waren selbstverständlich die Römer, die uns das Wort dagelassen haben. „Cocina“ heißt Küche auf Lateinisch, auf Italienisch „cucina“, auf ahd. „kuhhina“ auf Bairisch „kuchl“. Im Standarddeutschen  ist aus der „Kuchl“ dann die „Küche“ geworden. „Kuchen“, „Küachl“, „kochen“, - alles geht auf den gleichen Stamm zurück.

Bleiben wir einmal bei der „cocina“, der lateinischen Küche. Das „c“am Anfang wurde im Mittelalter und im Prinzip bis heute wie ein „k“ gesprochen, weil es vor einem dunklen Vokal steht. Das „c“ in der Mitte aber wie ein „z“, weil das „i“ ein heller Vokal ist. Im klassischen Latein, also zu den alten Zeiten z. B. vom Cäsar hat man jedes „c“ wie k ausgesprochen. Damals hat die „cocina“ „kokina“ geheißen, das „Kochen“ kommt davon;  und der „Cäsar“ hat „Käsar“ geheißen, unser Wort Kaiser kommt daher.

Was folgern wir daraus? Der „Kaiser“ wie das „Kochen“ sind schon in der Antike in unsere Sprache eingewandert, als die Römer noch die k-Aussprache hatten. Die Russen haben erst im Mittelalter einen Kaiser gekriegt. Da hat man längst die c-Aussprache gehabt, weshalb der russische Kaiser „Zar „heißt. Und damit sind wir beim Keller. Hat der was mit der Zelle zu tun?

Beides kommt vom lateinisch „cella“, in der Antike gesprochen „kella“, seit dem Mittelalter „zella“. Die Zelle ist ein lateinisches Fremdwort, das im Mittelalter bei uns eingeführt worden ist. Denken Sie nur an die „Mönchszelle“ Der Keller dagegen ist was ganz altes und typisch Südliches – die Germanen haben so was nicht gekannt. Die Arbeit, einen Keller, eine Kammer in den Boden zu graben, die macht man sich nur, wenn man länger und sesshaft an einem Ort bleibt. und gleichzeitig etwas kühlen muß, weil es draußen zu warm ist. Im kalten nördlichen Germanien langt ein ebenerdiger Speicher zum Frischhalten von Lebensmitteln. Bei uns in Bayern haben die Römer auf ihren Landgütern wie daheim im Süden „Celleraria, also Keller eingeführt. Und viel anderes, was mit Küche, Keller, Land- und Almwirtschaft zu tun hat: „alma“ die „Alm“, „Almwiese“, „caesus“, der „Kas“ „butyrus“, der Butter.

Nein, kein Druckfehler! Es muss heißen: der Butter. Spätlateinisch „butyrus" kommt aus dem griechischen „bouthyros" ­ beides ist männlich, oder maskulin, deswegen: der Butter. In Italien heißt es heute noch „il burro", in Frankreich ebenso "le beurre" – beides Maskulinum. Den Butter macht die Sennerin und auch die kommt aus dem lateinischen: „Seniora", die "Dame", genauso wie „Senner": „senior", der „Herr". In früheren Zeiten ist es bei uns halt noch romanisch-höflich zugegangen - selbst auf der Alm, wo der Kas gemacht wird.

Auf einer Alm überhaupt nix zu suchen hat der „Quark". Das Wort kommt aus dem sorbischen „twarog" und bedeutet ursprünglich „geronnene Stutenmilch". Wer will denn so was?!

Das richtige Wort für die feste Substanz saurer Milch nach Absonderung der Molke ist der „Topfen". Der kommt vom alten bairischen Wort „doppen", was soviel wie „drücken", „pochen" heißt. Der "Topfenkas" wird ja hergestellt, indem er ausgepresst wird. Seit dem Mittelalter ist der Topfen belegt. Und jetzt wollen uns die Nordlichter, die das richtige Hochdeutsch erst von uns gelernt haben, vormachen, dass „Topfen" österreichisch sei. Freilich ist es österreichisch. Aber damit auch bairisch und deutsch. Der „Quark" dagegen ist erst spät über das Mittel- und Niederdeutsche in unsere Sprache eingewandert.

Es ist das gleiche Problem wie mit „Sahne" und „Rahm". Die Sahne, deren sprachliche Herkunft im Gegensatz zu ihrer Farbe dunkel ist, kommt ursprünglich aus dem westniederdeutschen Raum, also aus der deutschen Sprache, die heute „Flämisch" heißt. Richtig hochdeutsch und in Bayern auch noch so erhalten, ist der „Rahm". Das Wort bedeutet ursprünglich den Fettrand, der sich am Rand eines Rahmhaferls absetzt. Sie kennen sicher auch das schöne bairische Wort „Ramme". Dampfnudeln zum Beispiel sind nur gut, wenn sie „Ramme" haben, einen reschen Ansatz eben. „Rahm" und „Ramme" haben die gleiche Wurzel. Denn das indoeuropäische Urwort „ram" bedeutet nix anderes als „Dreck", „Ausscheidung". Und das, was die Milch oder die Dampfnudel ausscheidet, ist der „Rahm" beziehungsweise der „Ramme".

Doch zurück zum lateinischen Erbe in bairischen Küchen und Kellern. Was zum Beispiel ist der Unterschied zwischen einem „Hafen" und einem „Topf'“?

Sie werden es nicht glauben, aber heute meinen die Leute: In einem „Topf' wird gekocht und in einem „Hafen" fahren Schiffe drin rum. Und wenn man dann fragt, was der "Hafner" macht, dann heißts: "Das ist vielleicht der, der die Schiffe im Hafen rumlotst".

Ja, der bairische Nachwuchs ist auch nicht mehr der, der er einmal war! Der „Hafen", bairisch „Hofa", ist das eigentlich hochdeutsche Wort für „Topf'. Der „Hfner" das hochdeutsche Wort für „Töpfer" und das „HaferI" hat mit Tasse nix zu tun, sondern

ist schlicht ein kleiner Hafen - kenntlich gemacht durch die bairische Verkleinerungsendung ,,-erl". „Hafen" hängt zusammen mit „haben", „halten", „enthalten", lateinisch „habere". Ewiges Latein!

Und man kann ewig lateinisch weitermachen. Im Haferl drin ist „Milch", bairisch „Muich", „Mil" oder "Milli". Die hängt zusammen mit lateinisch "mulgere" - "melken", Und um die bairische Milli im Haferl warm zu machen, wird in Bayern das Feuer im Ofen „okent". Kommt von lateinisch "accendere", anzünden. Im Mittelalter hat man das nicht mehr "akendere", sondern "azendere" ausgesprochen. Dieses Wort ist dann noch mal ins Deutsche gekommen als „anzünden",

Und wenn Sie Lust haben, dann tauchen wir jetzt in die warme Milli noch ein „Scherzl" ein. Und spätestens jetzt meinen die meisten, dass das ganze nur ein Spass ist!

Das bairische „Scherzl" hängt, obwohls nicht so klingt, mit lateinisch „curtis" - "kurz", „abgeschnitten", zusammen. Lateinisch "cortex" ist die „Rinde", die „abgeschnittene Schale". Die englischen „shorts" sind eine abgeschnittene Hose, der „skirt" und das "shirt" und der bayerische „Schurz" – kommt alles von „kurz". Das kurze bairische Brotstück „Scherzl" ist im Mittelalter ins Italienische zutückgewandert. „Scherzo" heißt dort der „kurze Witz", der später wiederum über die Alpen als „Scherz" für "Spass" ins Deutsche gekommen ist. Genaugenommen ist also der „Scherz" ein „Scherzl" - aber - bitte - machen Sie nie aus einem „Scherzl" einen Witz. Da versteht ein Baier keinen Spass!

Aus: Lecker derbleckt
Eine kleine bairische Wortkunde
von Gerald Huber
Frankfurter Societätsverlag, 2008, 156 S.
ISBN 978-3-7973-1100-9, fest geb. 12,80 €

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